das denkt man sich ja immer mal wieder, wenn man Sportevents im TV sieht – vorausgesetzt, man hat eine Affinität zu diesem Sport. Der Zufall wollte es, dass ein Geburtstagsgeschenk zum runden Geburtstag meines Lieblingsmenschen Tribünenkarten für den Abfahrtslauf auf der „Streif“ in Kitzbühel waren. Wir sind beide begeisterte Skifahrer, haben es im Kleinkindalter schon gelernt. Die „Streif“ gilt als schwierigste Abfahrt der Welt, als Fans des Skisports haben wir immer die Rennen am Fernseher verfolgt. Einmal live dabei zu sein hat mich schon Wochen vorher in Hochstimmung versetzt.. Das Schicki-Micki-Drumrum in Kitzbühel ist uns beiden eher zuwider, das musste man unter Umständen in Kauf nehmen, mal schauen. Bei erwarteten 45.000 Besuchern am Samstag konnte man aber davon ausgehen, dass die Sportfans in der Mehrheit sein würden.
Ich hatte eine Unterkunft in der Nähe von Kufstein gebucht, in Thiersee. Der Blick vom Balkon unseres Appartements war eine wunderbare Einstimmung in die Winterwelt. Auf dem verschneiten Thiersee wurden Kinderwagen geschoben, Eisstockschießen oder Eishockey gespielt. Ein wahres Winterwonderland.
Von unserem Vermieter erfuhren wir, dass Thiersee in den fünfziger Jahren eine beliebte Filmkulisse war. Hier entstand unter anderem der Film „Das doppelte Lottchen“. Den Hausflur zierten dann auch jede Menge alte Filmplakate und Fotos, teilweise mit Autogramm der Schauspieler. Einige der Namen kannten wir noch, Hans Söhnker oder Hans Albers. Früher liefen ja die alten Schwarz-weiß-Filme immer mal wieder im Fernsehen. Früher…ohje, also in den sechziger und siebziger Jahren. Damals, als es kein Netflix etc. gab, kein Streaming, nur zwei Fernsehprogramme. Kommt mir heute vor wie eine andere Galaxie und ich staune mal wieder darüber, wie alt ich auf dem Papier wohl sein muss, wenn ich mich daran erinnern kann. Gefühlt ist es irgendwie immer anders. In diese neue Welt des Streamings bin ich immer noch nicht eingestiegen, ich habe weder Netflix noch sonst ein Abo. Ich wüsste auch gar nicht, woher ich die Zeit nehmen sollte, so viel Filme, Serien undsoweiter zu schauen. Aber jetzt sollte es ja tatsächlich mal ein Live-Event sein. Am nächsten Morgen brachen wir, dick eingepackt in mehrere Schichten, nach Oberndorf auf. Dort sollte der Shuttle nach Kitzbühel abfahren. Es war bitterkalt, aber die Sonne strahlte über einem winterblauen Himmel – Kaiserwetter! Auf dem Weg konnten wir dann noch diese Wolkenformation bewundern:
Wir fanden ohne Probleme den Parkplatz in Oberndorf und gingen die paar Schritte zum Bahnhof, wo wir uns in die Schlange der Wartenden einreihten. Der Shuttlezug brachte uns dann in zehn Minuten direkt zum Bahnhof „Hahnenkammbahn“ und damit waren wir schon mittendrin. Der Ort Kitzbühel hat etwa 8000 Einwohner – während der Renntage wurden um die 100.000 Menschen erwartet. Wir hatten uns das schlimm vorgestellt, aber nur auf dem Weg zum Zielgelände waren wir in der Masse unterwegs, danach verteilte sich die Menge und es war alles entspannt. Wir bekamen unser Bändchen und enterten die Tribüne, ein isolierendes Sitzpolster unter dem Arm, vor uns der Zielhang. Wir saßen direkt hinter den Boxen für die verschiedenen Fernsehanstalten, links von uns bereitete sich Felix Neureuther auf seinen Einsatz als Experte der „Sportschau“ vor. Im TV sieht das alles irgendwie immer größer aus, in Wirklichkeit sind die Bereiche kleine Boxen, durch provisorische Holzgeländer abgeteilt..
Wenn man das Rennen im Fernsehen verfolgt, bekommt man keinen Eindruck von der Geschwindigkeit, aber man sieht natürlich besser die Details. Live im Zielbereich kann man über große Videoleinwände das Rennen verfolgen, bis die Fahrer auf dem Zielhang erscheinen. Ich gebe zu, das waren Gänsehautmomente, wenn die Fahrer mit einem Sprung auf den Zielhang schossen und den letzten Teil der Piste herunter rasten.
Wir haben bis zum letzten Abfahrer alle bejubelt, es war wirklich ein tolles Erlebnis. Promis haben wir keine gesehen und die „Adabei`s“ haben wir einfach ignoriert oder uns angegrinst wenn mal wieder ein mit Markenschuhen, -Taschen,- Brille dekoriertes Geschöpf an uns vorbeiflaniert ist, langsam, den Kopf nach allen Seiten wendend, „seht ihr mich auch alle?“ Jaja, wir sehen dich, aber jetzt geh aus dem Bild!
Nach dem Rennen gings direkt zum Zug und zurück in die beschauliche Welt am Thiersee, voll mit den Eindrücken des spannenden Tages. Kitzbühel und die Partymeile haben wir sprichwörtlich links liegen lassen, aber wer es mag, dem sei es gegönnt. Würde ich es wieder machen? Ja, auf jeden Fall. Es war genial.