Es war einmal in einem Land lange vor unserer Zeit ein junger Prinz. Er war stolz und leidenschaftlich und der beste Kämpfer im Heere seines Vaters, des Königs. Als die Zeit gekommen war, dass er heiraten sollte, schickte ihn der König in das Nachbarreich, dort lebte die Königstochter, die ihm bestimmt war.
Auf seiner Reise ritt der Prinz durch einen dichten Wald und verirrte sich. Plötzlich hörte er einen so lieblichen Gesang, wie er ihn noch nie gehört hatte. Er folgte der Stimme und fand den Weg heraus aus dem Wald. Da sah er am Waldrand ein Mädchen sitzen, das war so schön, dass die Sonne sich verwundert die Augen rieb weil sie auf ihrer weiten Reise um die Erde nichts Schöneres gesehen hatte.
Das Mädchen sang und der Prinz spürte eine so tiefe Sehnsucht, dass er vergaß, wohin er reisen wollte. Er stieg vom Pferd und fragte das Mädchen:
„Wer bist du?“
Das Mädchen sang:
„Arm bin ich geboren
Hab alles verloren, hab
Kein´ Vater, keine Mutter
Keine Schwester, keinen Bruder“
Da fühlte sich der Prinz noch mehr zu der Schönen hingezogen, nahm ihre Hände und sprach:
„komm mit mir auf mein Schloss und werde meine Frau.“
Und sie hielten sich an den Händen und herzten und küssten sich so innig, dass die Sonne sich hinter einer Wolke versteckte, um die Liebenden nicht zu stören.
Und der Prinz nahm das schöne Mädchen auf sein Pferd und sie ritten zum Schloss seines Vaters, des Königs, zurück.
Als aber der Prinz dem König seine Braut vorstellen wollte war dieser außer sich vor Wut und verbot dem Prinzen ein so armes Mädchen zur Frau zu nehmen. Er befahl seinen Wachen, die Schöne in den Kerker zu werfen, doch der Prinz befreite seine Liebste und sie flohen aus dem Schloss.
Nun war guter Rat teuer. Der einzige Ort, wohin ihnen keiner folgen würde, war der Zauberwald. Alle Menschen machten einen großen Bogen um diesen Wald, in dem unsichtbare Wesen ihren Schabernack mit den Reisenden trieben. Einer alten Sage nach gab es in diesem Wald eine geheime Pforte zum Lande Shangri-La. Ein Land, in dem jeder die Erfüllung seiner Sehnsüchte erlangen konnte.
Der Prinz ritt in den Wald und hielt seine schöne Braut vor sich im Sattel. Der Wald schien zu flüstern und tausend Augen zu haben. Aber weil sie reinen Herzens waren geschah ihnen kein Leid.
Nach einiger Zeit kamen sie auf eine Lichtung, in deren Mitte ein großes Tor aus weißem Marmor in der Sonne leuchtete. Stimmen flüsterten:
„Das Tor nach Shangri-La erfüllt dir deinen größten Wunsch!“
Die Bäume schienen zu wispern oder waren es die die Gräser? Der Prinz hob seine Braut vom Pferd und Hand in Hand gingen sie auf das wundersame Tor zu, das hell in der Sonne leuchtete. Als sie davor standen sagte eine Stimme
„Bedenke wohl was du dir wünschst, es könnte dir gewährt werden, denn jeder hat sein eigenes Shangri-La. Geht ihr zusammen durch das Tor und träumt nicht denselben Traum dann seid ihr für immer getrennt….“
Doch der Prinz hörte gar nicht mehr hin. Er war sich so sicher, dass seine Liebste dieselben Wünsche und Träume hatte wie er und trat Hand in Hand mit ihr durch das Tor.
Der Prinz fand sich wieder inmitten eines großen Turniers aus dem er als gefeierter Sieger hervorging.
Er trat an die Tribüne ums sich von seiner Schönen den Siegerkranz auf das Haupt setzen zu lassen. Doch wo war sie? Er konnte sie nirgends entdecken – hatte sie nicht denselben Traum geträumt?
Plötzlich hörte er eine Nachtigall singen – und ihr Gesang traf ihn mitten ins Herz.
Er ging in seine Kammer und schloss sich ein, wollte nicht essen noch trinken. In der Nacht jedoch hatte er einen Traum. Die Nachtigall saß an seinem Bett und sang mit menschlicher Stimme:
„Arm bin ich geboren
Hab alles verloren, hab
Kein´ Vater, keine Mutter
Keine Schwester, keinen Bruder
Mein Liebster ist fort
An einem anderen Ort
Wird er mich finden
Hinter den Sternen
Der Prinz erwachte und erkannte in der Traumstimme die Stimme seiner liebsten Braut Da sattelte er sein Pferd und machte sich auf den Weg, fest entschlossen seine Liebste zu finden.
Er ritt drei Tage und drei Nächte und fragte alle, denen er begegnete:
„Kennt ihr das Land hinter den Sternen?“
Aber alle schüttelten nur mit dem Kopf. Endlich kam er an einen großen Berg, der war so heiß, dass er glühte und brennende Steine ausspuckte. Das war die Wohnung der Sonne:
„Liebe Sonne,“ rief der Prinz, „kannst du mir nicht den Weg zum Land hinter den Sternen zeigen?“
„Ich helfe dir, mein Prinz,“ sprach die Sonne,“ aber du musst mir erst ein Jahr dienen. Wenn du meinen Sonnenwagen ein Jahr auf der Reise über die Erde gezogen hast zeige ich dir den Weg.“
Und der stolze Prinz spannte sich vor den Wagen der Sonne und zog ihn ein Jahr lang über den Himmel. Er sah in jeden Winkel der Welt aber nirgends konnte er seine Liebste entdecken.
Nach einem Jahr sagte die Sonne:
„Du hast mir treu gedient, du bist frei. Geh auf diesem Sonnenstrahl immer weiter nach Norden und du kommst zu meiner Schwester Luna, die Hüterin des Mondes, sie wird die weiterhelfen. Ich habe auch ein Geschenk für dich. Das wirst du brauchen können.“
Und sie gab ihm einen brennenden Stein, den sie in einen Lederbeutel legte.
Der Prinz bedankte sich und ging auf dem heißen Sonnenstrahl nach Norden und fand Luna, die Hüterin des Mondes einem weißen Palast aus Milchglas, der von innen zu leuchten schien.
„Wer bist du?“ fragte Luna und ihre Stimme klirrte wie Glas.
„Ich bin ein Prinz der seine Liebste sucht. Sie ist im Land hinter den Sternen.“
„Ich kann dir den Weg zeigen aber du musst mir ein Jahr dienen. Zwölfmal musst du mir helfen, den Mond aufzublasen, dann zeige ich dir den Weg.“
Und der Prinz diente Luna zwölf Monate. Er blies nach Neumond den Mond auf bis er kugelrund war und als leuchtende Scheibe am Himmel hing. Dann verlor der Mond wieder alle Luft und an Neumond fing der Prinz wieder an ihn aufzublasen. Nach dem zwölften Vollmond sagte Luna:
„Du hast mir treu gedient, ich werde dir nun den Weg zu den Sternen zeigen. Geh auf meinem Mondstrahl immer weiter nach Norden, dort findest du die Heimat der Sterne. Hier habe ich noch ein Geschenk für dich.“
Und sie gab ihm einen weißen Stab aus Holz.
„Den wirst du noch brauchen“.
Der Prinz bedankte sich und ging auf dem kalten weißen Mondstrahl nach Norden bis er zur Heimat der Sterne kam.
Hier war die Nacht so dunkel dass er nicht einmal mehr seine Füße am Boden sehen konnte.
„Ihr Sterne“, rief der Prinz in die Dunkelheit hinein,“ ich suche meine Braut im Land hinter den Sternen – “
„Zünde uns an wir zeigen dir den Weg“, riefen die Sterne.
Und der Prinz nahm den glühenden Stein der Sonne und zündete damit den weißen Stab der Luna an.
Plötzlich stand er im Licht und sah die vielen erloschenen Sterne. Er zündete sie an, einen nach dem anderen. Aber es waren so viele dass es ein Jahr dauerte, bis alle Sterne am Firmament leuchteten.
Und da sah er mitten in den Sternen eine Straße, die war weiß wie verschüttete Milch, und er ging die Straße entlang und fand das Land Shangri-La hinter den Sternen. Dort wartete seine Braut und sie war keine Nachtigall mehr sondern das schönste und lieblichste Mädchen unter den Sternen.
Sie nahmen sich an der Hand und wünschten sich nichts sehnlicher, als nie mehr getrennt zu sein.
Und weil sie dieselbe Sehnsucht teilten fanden sie sich wieder im Reich des Prinzen und waren dort Königin und König bis an ihr Lebensende.
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