abcEtüden10/11.20 Beam me up, Scotty!

Wegen Karneval und anderer Vorkommnisse habe ich eine Etüdenwoche versäumt – aber jetzt bin ich wieder am Start! Die abc Etüden, ein Schreibimpuls, werden gehostet von Christiane  Auf ihrem Blog könnt ihr alles nachlesen und findet die links zu den anderen EtüdenschreiberInnen. Drei Wörter sollen in eine Geschichte mit maximal 300 Worten eingebunden werden. Dieses Mal wurden die Wörter gestiftet:von Corlys Lesewelt

Sonnenuntergang

Warm

Fliegen

 

Ich fand die Wörter inspirierend, vor allem unter dem Aspekt, wie Christiane auch schreibt, den vordergründigen Schein von Romantik und heiler Welt umzudrehen. Hier also meine Etüde:

Beam me up, Scotty!

Was für ein Sonnenuntergang! Wenigstens ist die Aussicht hier schön –  ich habe sozusagen Glück im Unglück gehabt. Es hätte mich auch in eine Stadtunterkunft verschlagen können, da bin ich doch lieber hier auf dem Land. Eigentlich wollte ich ja auf meine Lieblingsinsel fliegen. Jetzt sitze ich hier fest, habe es zwar warm und gemütlich – aber der Schein trügt. Essen kommt durch die Klappe, wer es hindurchschiebt, weiß ich nicht. Noch nie habe ich ein Gesicht gesehen. Gestern wurden Internet und Fernsehen abgeschaltet, angeblich sei das eine Vorsichtsmaßnahme, um emotionale Aufregungen zu verhindern. Das stand zumindest auf dem Merkblatt, das mir mit dem Essen zugestellt wurde. Ich glaube kein Wort. Niemand will, dass wir erfahren, was wirklich läuft. In China sei das Virus besiegt, habe ich gelesen, nicht aber im Rest der Welt – wollen uns die Chinesen ausrotten? Das letzte, was ich in den Nachrichten gesehen habe, war die Meldung von einem Milliardendeal zwischen der Pharmafirma, die einen Impfstoff entwickelt hat und der deutschen Regierung.  Die Hysterie, die seit Wochen verbreitet wird, ist der wahre Virus. Selektive Berichterstattung, die Absage sämtlicher öffentlicher Veranstaltungen – und dazu die willkürliche Isolation aller, die nur mal öffentlich geniest haben. So wie ich, im Taxi, auf dem Weg zum Flughafen. Der Taxifahrer saß, gesichert durch eine Glasscheibe, vor mir, aber er hat mich die ganze Zeit beobachtet und als er mich niesen sah, ist er nicht zum Flughafen sondern zu einem Sammellager gefahren. Ich wurde sofort in eine Isolierstation auf dem Land gebracht. Seit Tagen warte ich auf die Untersuchung, aber ich habe das Gefühl, es sind so viele „Verdachtsfälle“, dass die Gesundheitsämter gar nicht mehr hinterherkommen mit Blutprobenanalysen oder was auch immer. Immer wieder höre ich Zimmernachbarn randalieren – der Lagerkoller breitet sich aus. Jetzt wäre ich gerne Captain Kirk – drehe ich auch schon durch?

 

300 Wörter

13 Gedanken zu „abcEtüden10/11.20 Beam me up, Scotty!

  1. Tolle Geschichte! Aus Mangel an Zeit und verloren gegangerner Gehirnmasse aufgrund von temporäer aber akuter Misantrophie nur ein kurzes Statement:

    Zombies wären mir lieber; Rübe ab und fertig.

    Gruß vom Friseur

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  2. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 12.13.20 | Wortspende von Elke H. Speidel | Irgendwas ist immer

  3. Bei uns in der Wetterau hat das Gesundheitsamt bekannt gegeben, dass man nicht gleich zu ihnen rennen soll, wenn man meint, man habe das Virus. Erst nach telefonischer Beratung würde man entscheiden, ob überhaupt eine Probe genommen würde, oder ob man zunächst in der häuslichen Quarantäne verbleiben sollte. „Häusliche Absonderung“ nennt unser Landrat das herunterspielend.
    Als Grund wird angeführt, dass die Laborkapazität des Gesundheitsamtes nicht hergäbe, dass viele Proben gemacht werden könnten.

    Da frage ich mich dann doch, was eigentlich in einem wirklichen Ernstfall bei uns los wäre und geleistet werden könnte, wenn jetzt noch nicht einmal Verdachtsfälle untersucht werden können!

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    • Es ist völlig chaotisch – jeder macht irgendwie, was er denkt. Die Medien stürzen sich darauf und es gibt kein anderes Thema mehr. Man fühlt sich schon krank, wenn man nur ein bißchen niest. So eine Hysterie zu verbreiten ist meiner Meinung nach eher kontraproduktiv, denn damit werden u.U. Kapazitäten gebunden, die man an anderer Stelle brauchen würde. Was los wäre, wenn es wirklich zu einer Epidemie kommt, das wage ich mir nicht auszumalen, da es ja schon iin diesem Stadium äußerst unorganisiert ist wie man an deinem Beispiel sieht.Gestern war ich beim Zahnarzt und dort hing schon ein Schreiben an der Eingangstür, dass man wieder heimgehen sollte, wenn man Grippesymphtome hat. Er wollte mir nicht einmal die Hand geben – auf meine Frage erklärte er mir, dieses Schreiben sei eine Empfehlung des Robert-Koch-Insituts. So folgt wohl jeder dem, was er grade für richtig hält.

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  4. „Niemand will, dass wir erfahren, was wirklich läuft.“ DER klassische Satz aller Verschwörungstheorien. Super. Der Rest … ist leider gar nicht so weit hergeholt, würde sich die Lage so zuspitzen, wie du sie beschreibst, und würde die Paranoia so um sich greifen, wie sie es gerade (scheinbar) versucht. Meine Güte. Manchmal weiß man echt nicht mehr, ob man lachen oder weinen soll.
    Unbekümmerte Grüße (oh, und danke für die Etüde natürlich, bitte gern mehr davon)
    Christiane 😀

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