Geduld

gehört nicht zu meinen Tugenden – oder sagen wir mal so, Geduld ist etwas, das ich immer übern muss, wie man einen Muskel trainiert. Ich will immer alles und das sofort, bin oft schon vorgeprescht und war dann ganz woanders als die, mit denen ich es gerade zu tun habe. Bis ich dann merke, dass ich mich irgendwohin verrannt habe ist oft das Kind schon in den Brunnen gefallen.

Immerhin – die Erkenntnis ist da, dass das so ist und dass ich da noch viel zu lernen habe…

Daher auch heute ein Gedicht, das ich sehr sehr liebe und das alles sagt was man zu diesem Thema sagen kann:

Über die Geduld
(von Rainer Maria Rilke)

Man muss den Dingen
die eigene, stille
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen – und
dann gebären…

Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit
vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit…

Man muss Geduld haben

Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.